Ein Ausspruch, der wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst ist, und den Terenz schon vor unserer Zeitrechnung der Nachwelt erhalten wollte. Allerdings klang es bei ihm mangels ausreichender Deutschkenntnisse eher wie „homo sum, humani nil a me alienum puto“. Außerdem fügte er noch puto hinzu: Ich bin ein Mensch, nichts Menschliches ist mir fremd, denke ich. Das soll damals noch üblich gewesen sein, das Denken. Da das Denken aber nie gänzlich abgeschafft wurde, ziert der Satz auch heute noch Julius Ofners Denkmal in der Leopoldstadt, dem Bezirk, der – verfolgt man die einfachste Übung einer Demokratie: das Wählen – wieder Anlass gibt, die Intensität des allgemeinen Denkens kritisch zu hinterfragen.
Während der Satz im eigentlichen Sinn als Zeichen einer vorhandenen Selbstkritik verstanden wird, kann er ebenso der Kritik (nicht nur im negativen Sinn) an Mitmenschen dienen.
Einigkeit herrscht, es gibt nicht DEN Flüchtling. Problematischer wird es schon, wenn überzeugte Automobilisten über DIE urbanen Radfahrer urteilen. Gänzlich unrichtig hört sich der Satz auf einer Versammlung Grüner, auf der über DIE FPÖler diskutiert wird, an. Aber alle diese Pauschalierungen sind nichts im Vergleich zur herkömmlichen Meinung über DIE Richter:
DER Richter ist unabhängig. DER Richter ist unparteiisch. DER Richter ist nur dem Gesetz verpflichtet. DER Richter ist ein Mensch.
Und wenn gilt, dass Irren menschlich ist, und Richter Menschen sind, dann gilt zweifelsfrei auch, dass Richter irren (können), oder wie es Terenz vielleicht formuliert hätte, errare humanum est, iudices homines sunt, errare iudicialis (pot)est. Eine These (errare+iudicialis) nach der vergeblich gegoogelt wird. Richter irren nie. Richter irren nicht. Richter irren nie nicht. Richter finden im Zuge der freien Beweiswürdigung immer die Wahrheit. Auch dann, wenn die wahre Wahrheit anders war. Wahre Wahrheit verliert in Konkurrenz zur richterlichen Wahrheit immer. Noch heute scheuen sich staatliche Institutionen Verurteilungen wegen Hexerei aufzuheben, „weil diese in einem ordnungsgemäßen Gerichtsverfahren zustande gekommen sind.“ Und gegen ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren lässt sich nun einmal nichts sagen. Nicht einmal, wennTodesurteile aufgrund falscher Haaranalysen zu Unrecht vollstreckt wurden. Die Gerichtsverfahren wurden schließlich ordnungsgemäß geführt.
Früher kursierten Gerüchte, die Aussage eines Polizisten wäre so viel wert wie die Aussagen dreier Normalsterblicher. Früher gab es so etwas wie Autorität. Spätestens mit Abschaffung der grünen und Anschaffung der blauen Uniform ging jede Autorität endgültig verloren. Polizisten, die einen nur mangelhaft bewaffneten Einbrecher auf frischer Tat erschießen, haben sich zu verantworten. Den Ausschlag dazu gibt die öffentliche Meinung, die sich spürbar auf die Gerichte – unter Beihilfe der von ihnen bestellten Gutachter – überträgt. Wohin fehlende Vorsicht führt, zeigte der Billa-Überfall im heurigen Sommer, bei dem ein 23-jähriger Polizist vom Einbrecher erschossen wurde. Einen Einbrecher zu stellen, stellt sich in der Regel anders dar, als es sich Gutachter vorstellen und gegen gutes Honorar darstellen. Bei solchen Einsätzen muss rasch gehandelt werden. Ohne Überlegen. Ohne Rückfrage. Trotzdem gibt es für einen Polizisten, der nach Ansicht eines Gutachters nicht lang genug über einen Waffengebrauch nachgedacht hat, harte Konsequenzen.
Diese Strenge wünsche ich mir auch gegenüber Richtern. Ein Richter hat Zeit. Er kann sich Beweise mehrmals anschauen. Er kann überlegen. (Manche sollen sogar nachdenken können). Und trotzdem verkam die richterliche Unabhängigkeit zu einer Art Narrenfreiheit, die paradoxerweise zur Basis unseres Rechtsstaates wurde. Andere, weitaus Berufenere bezeichnen daher die Rechtsprechung teilweise als ein Bollwerk der Willkür.
In meinen jungen Jahren, als ich von mir und meinem Wirken, das ich mitunter undiplomatisch durchgesetzt habe, überzeugt war, wurde ich einmal „von oben“ schriftlich gerügt. Ein Bürger, dem ich seiner Meinung nach Unrecht getan hatte, hatte sich über mich beschwert. Damals löste die obrigkeitliche Feststellung, „ … die gegenseitigen Anschuldigungen des Herrn XX und des Beamten YY lassen sich nicht mehr beweisen, der Beamte ist allerdings anzuhalten, künftig derartige Äußerungen zu unterlassen,“ bei mir Unverständnis aus. Warum sollte ich angehalten werden, in der Zukunft etwas zu unterlassen, das ich in der Vergangenheit nie getan hatte! Im Laufe der Jahre wurde mir klar, dass Machtmissbrauch auch dann ein Machtmissbrauch bleibt, wenn zwar ordnungsgemäß gehandelt wird, aber die gebrauchte Macht nicht ausschließlich mit Respekt – und vor allem ohne jede persönliche Anteilnahme – eingesetzt wird.
Immer wieder rühmen sich Richter in Verhandlungen, „noch nie einen Prozess verloren zu haben.“ Ein Richter entscheidet, aber gewinnt oder verliert nicht. Unser System ist aber darauf aufgebaut, dass Richter, deren Urteile nicht aufgehoben werden, die Karriereleiter hinaufsteigen, weil sie „gut“ sind. Egal wie falsch ihre Entscheidungen auch waren und sind. Dabei müsste ein guter Richter nicht immer recht behalten, er müsste nur der Wahrheit eine Chance geben. Leider tendiert unser Rechtssystem in die andere Richtung. Auch wenn auf dem Papier Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor Rechtssicherheit eingeräumt wird, so schreiben Obergerichte brav den Sermon der untergeordneten Gerichte ab. Eine einmal von einem Richter im Zuge der freien Beweisführung getroffene Feststellung – egal wie widersinnig sie auch sein mag – ist nicht mehr zu korrigieren.
Unser Rechtssystem gehört grundsätzlich zu den Bestmöglichen. Es verkam aber zu einem sinnentleerten Regulativ, möglichst billig Klarheiten zu schaffen, die nicht auf dem Fundament der Wahrheit, sondern auf dem Fundament vertretbarer Argumente, beruht, egal wie viele Kollateralschäden (Personen, über die einfach drübergefahren wurde) auch auf der Strecke bleiben.
Daher steht auf dem äusseren Burgtor am Ring auch IUSTITIA REGNORUM FUNDAMENTUM, die "Gerechtigkeit ist das Fundament der Herrschaft" - und nicht die Wahrheit; über Gerechtigkeit lässt sich streiten - über Wahrheit nicht.
Das Einzige, an dem ich mich festhalte, ist, „ich bin ein Mensch, nichts Menschliches ist mir fremd.“ Auch richterliche Willkür, die es schon immer gegeben hat, und noch lange (oder immer?) geben wird, nicht.
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